Interview mit Stevens Senn zur potenziellen Einstufung von CBD als Betäubungsmittel

Wie habt ihr euch gefühlt, als ihr erfahren habt, dass die EU plant, CBD als Betäubungsmittel einzustufen?
Unser erster Gedanke: Das muss ein schlechter Witz sein. Die EU bezieht sich auf das Single Abkommen von 1961, obwohl die WHO 2019 explizit empfiehlt, dass reines Cannabidiol aus der «United Nations Drug Control Convention» Liste 1 zu streichen sei. Die WHO hat außerdem in dieser neuen Bewertung erneut drauf hingewiesen, dass CBD freiverkäuflich erhältlich sein sollte und durch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse ein gutes Sicherheitsprofil als erwiesen gilt. Daher ist es für die Pure Gruppe unverständlich, dass die EU auf internationale Abkommen von 1961 eine Entscheidung treffen wird, obwohl die WHO 2019 die Faktenlage klar widerlegt.

Falls die EU ihre Ankündigung in die Tat umsetzt, welche Folgen hätte dieser Beschluss aus eurer Sicht?
Hier stellt sich die Frage, welchen Weg die Schweiz bevorzugen wird. Da sie mit bevorstehenden Pilotprojekten zur THC-Forschung bereits jetzt einen eigenen Kurs fährt ist es aus unserer Sicht eher unwahrscheinlich, dass sie den EU-Beschluss umsetzen würde. Sollte die EU-Kommission Cannabidiol als Arzneimittel einstufen, wäre es für Europäische Unternehmen nicht mehr möglich CBD Extrakte als freiverkäufliche Nahrungsergänzungsmittel anzubieten. Der unerlaubte Verkauf von Arzneimitteln kann ein Strafverfahren nach sich ziehen und ist kein lapidares Vergehen. Ein solcher Verstoß könnte für ein Hanfunternehmen bedeuten, dass sämtliche Geschäftsvorgänge untersagt werden.
Die Verlierer bei einer solchen Neu-Einstufung von CBD seitens EU, werden die Konsumenten sein, da jetzt schon klar ist, dass die Produktpreise um ein Mehrfaches steigen würden.

Welchen Einfluss hätte es auf die Pure Holding AG, wenn CBD vom Bund als Betäubungsmittel eingestuft werden würde?
In unserem Fall würde es nur den Bereich Rohstoffe im Europäischen Raum betreffen.
Das heisst unser Angebot würde sich verringern. Diejenigen Produkte, welche bereits in der EU zulässig sind (Kosmetika und Tabakersatz), sollten nicht betroffen werden. Arbeitsplätze wären aus unserer Sicht gesichert, da wir breit aufgestellt sind und weiterhin alle Mitarbeitenden gut einsetzen könnten. Es ist jedoch davon auszugehen das gewisse Arbeitsplätze in der Schweiz wie auch in der EU tangiert werden.

Kannst du mir sagen, wie die Pure Holding ihre Sparten einteilt, aus denen sie ihren Umsatz generiert und welchen Stellenwert hierbei CBD-Tabakersatzprodukte haben?
Wir unterscheiden zwischen Cannabiszucht, Rohstoffproduktion Outdoor und Indoor, Produktentwicklung, Extraktion und Distribution. Mit unseren 4000 Point-of-Sales hat CBD-Tabakersatz in der Schweiz einen sehr hohen Stellenwert für uns. Wir vermuten, dass dieser weiterhin stabil bleiben wird. Da diese Produkte in der Gesellschaft gut etabliert sind, wäre es ein grosser Rückschritt für die Konsumenten.

In den letzten Monaten hat die Pure Holding AG stark in die Forschung investiert. Kannst du mir erläutern, inwiefern dies die negativen Effekte einer Einstufung von CBD als Betäubungsmittel auf den Geschäftsgang der Pure Holding AG abfedern könnte?
Unsere Firma Puregene AG konzentriert sich vor allem auf die Forschung und Züchtung von neuen Genetiken, die international vor allem für Produzenten, Züchter und die Pharmaindustrie grosse Vorteile bieten. Durch unsere Forschungsergebnisse gelingt es uns, die Pflanzen ohne Genmanipulation nach Kundenbedürfnissen zu gestalten (non-GMO). Unsere Zielmärkte liegen zurzeit mehrheitlich ausserhalb der EU. Aus diesem Grund glauben wir nicht, dass eine Einstufung von CBD als Betäubungsmittel unsere Forschung direkt tangieren würde.

Welche Gründe sprechen gegen den Entscheid, CBD als Betäubungsmittel zu deklarieren?
Da CBD keinerlei psychotropische Wirkung aufweist, was auch so bereits von der WHO bestätigt wurde, macht die Deklaration als Betäubungsmittel keinen Sinn. Da nur über natürlich gewonnenes CBD debattiert wird und der synthetische Monostoff CBD davon ausgenommen wäre, ist klar von welcher Lobby dieser Anstoss kommt.

Zusammenfassend, welchen Einfluss hätte die Deklaration von CBD als Betäubungsmittel für die Pure Holding AG?
Die Pure Holding AG steht mit ihrer breiten Abdeckung auf einem sicheren Fundament. Gefahr ist definitiv nicht die korrekte Wortwahl. Sicherlich würde es teilweise zu Einbrüchen kommen oder Einfluss auf gewisse Geschäftsbeziehungen nehmen, doch Sorgen machen wir uns diesbezüglich derzeit nicht.
Dass sich die Pure Holding AG mit ihrer Tätigkeit in der Cannabis Industrie auf einem regulatorisch schwierigen Weg befindet, ist seit der Gründung Fakt. Deshalb operieren wir mit sechs Gesellschaften in verschiedenen Bereichen in dieser Industrie. Dies erlaubt uns schnell und agil, nicht nur auf Marktbedürfnisse einzugehen, sondern auch regulatorische Vorgaben schnell anzupassen. Seit Beginn der Pure Gruppe ist es uns bewusst, dass der aktuelle Vorteil der schweizerischen Cannabisindustrie aus regulatorischen Beweggründen so stark ist. Bei erlaubten 1% THC Werten hierzulande mit vergleichsweise tiefen erlaubten Werten in der EU, können aufgrund der fixen Verhältnisse der beiden Inhaltsstoffe bereits natürlicherweise viel höhere CBD Erträge in der Schweiz erzielt werden. Deshalb nutzen wir den Schweizer Standort, kollaborieren mit Eliteuniversitäten und fokussieren uns grösstenteils auf die Forschung.